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In Museen kann man sich mit Hochkultur beschäftigen – oder einfach den eigenen Gedanken nachhängen. Im Bild eine Aufnahme im Museo del Prado 2 in Madrid vom deutschen Fotokünstler Thomas Struth, dem die Hilti Art Foundation im Kunstmuseum Liechtenstein noch bis zum 6. Oktober eine Ausstellungs ausrichtet. (Bild: © Thomas Struth)

In Museen kann man sich mit Hochkultur beschäftigen – oder einfach den eigenen Gedanken nachhängen. Im Bild eine Aufnahme im Museo del Prado 2 in Madrid vom deutschen Fotokünstler Thomas Struth, dem die Hilti Art Foundation im Kunstmuseum Liechtenstein noch bis zum 6. Oktober eine Ausstellungs ausrichtet. (Bild: © Thomas Struth)

Warum ein Museumsbesuch lohnenswert ist? Wegen der Kunst natürlich. Aber nicht nur
Ein Kunstmuseum, das kann auch ein Hort des Rückzugs sein: vor Lärm, Kälte, Staub und Regen. Und ein Kunstmuseum, das kann noch ganz viel anderes sein. Ein Lob auf den Müssiggang im Musse-Tempel.
Philipp Meier

Museen sind immer gut für eine Pause. Schon früh habe ich dies für mich entdeckt und mir damit eine private Überlebenstaktik in einer hektischen Welt zurechtgelegt. Insbesondere in grossen Metropolen pflege ich Museen bisweilen wie rettende Häfen im Sturm anzulaufen.Wenn Grossstädte mitunter fordernd sind und das Besichtigungsprogramm irgendwann zu Erschöpfung führt, dann ist für mich das Museum ein willkommener Hort des Rückzugs, in dem ich Schutz vor Lärm, Staub, Hitze oder Kälte und Regen finde. Museen sind zentral gelegen, man findet sie auf Anhieb, jeder kennt ihren Standort, die App sowieso. Nicht zuletzt finden sich in einem Museum immer saubere Toiletten vor, oft noch bevor die Kasse zu passieren ist, und vor allem ohne lästigen Aufschub, wie ihn Erklärungsnotstand oder Konsumzwang in einem Restaurant verursachen können.Von Konsumzwängen ist man in einem Museum völlig frei. Und verhandeln muss man mit niemandem, geschweige denn überhaupt kommunizieren. In einem Museum ist es wohltuend still, gesprochen wird nur in leisem Ton. Allfälligen Begegnungen kann man ausweichen mit abgewandtem, auf die Wände fixiertem Blick. Und man kann sich frei in alle Richtungen bewegen, meist unter angenehm gedämpftem Licht. Man findet stets eine Bank, um sich hinzusetzen und auszuruhen. Man kann durch das Bild an der Wand hindurchstarren oder mit leerem Blick auf den Fussboden. Man ist hier einfach zu nichts verpflichtet und doch für einige Stunden komfortabel aufgehoben. Selbst der Vorwand für eine solche Auszeit könnte kaum besser sein: Man hat sich schliesslich verabschiedet in die respektablen Gefilde der Hochkultur. Und dies, ohne von derselben drangsaliert zu werden – was ja von einem Konzert- oder Theaterbesuch nicht unbedingt behauptet werden kann.

 

Raum fürs Nichtstun

Einst hatten zwar auch Museen bildungsbürgerlichen Zwang auf mich ausgeübt. Museumsbesuche in zarten Kindertagen überstehen nicht alle gleich schadlos. Es soll Menschen geben, die grundsätzlich keine Museen mehr besuchen, weil sie der Überzeugung sind, mit dem einst Erlebten sei an ihnen ein Exempel statuiert worden, es der Kunst gegenüber ja nicht am nötigen Respekt fehlen zu lassen. Schwellenangst nennt sich das Symptom dafür.

Ich für meinen Teil meide ehrfurchtgebietende Gemäuer von Museen nicht, entziehe mich aber sehr wohl dem Zwang, den sie verkörpern mögen. Seit ich Museen für eine Pause nutze, unterminiere ich ihren Bildungsauftrag. Musentempel sind für mich Musse-Tempel. Wo sonst kann man sich so wunderbar treiben lassen wie in einem Museum? Hier muss man nichts tun, kann ganz passiv sein. Kirchen können dergleichen kaum bieten. In Kirchen gibt es keine Toiletten, die Bewegungsfreiheit ist nicht vergleichbar, und der etwas heuchlerische Anschein, den man sich geben muss, oder das vorgegaukelte Interesse an Kunst und Architektur, um sein Dasein zu legitimieren, schmälern das Erlebnis des Aufenthalts empfindlich. Für das eigene Desinteresse im Museum aber interessiert sich niemand. Selbst zügigen Schritts durch die Galerien zu eilen, vermittelt höchstens den Eindruck, ein ganz bestimmtes Werk im Fokus zu haben. Ist die Kunst zu langweilig, lassen sich hier auch wunderbar unbemerkt Leute beobachten, denn diese sind in Museen ja ganz absorbiert von den Exponaten.

Meistens verschlägt es mich in die Sammlungen, die ich den Sonderausstellungen vorziehe. Hier hat man seine Ruhe. Nie sind diese Räume überfüllt. Und so kann man ungestörter als an irgendeinem anderen Ort in einer quirligen Stadt sich auch einmal mit sich selbst über Grundsätzliches verständigen: über Gott und die Welt, über all die Fragen, die Menschen seit je umtreiben. Denn hier ist ja alles gegeben dafür: versammelt in Form von Kunstwerken, die diese Fragen von sich aus stellen – in einer unaufdringlichen Weise und ohne die Zumutung fertiger Antworten. Ein Bild ist ein stilles Gegenüber. Es lädt einen gewissermassen zu einer Partizipationspause ein, wie es der deutsche Philosoph Lambert Wiesing ausdrückt. Ein Kunstwerk überlässt es allein mir, ob, wie und wie lange ich mich mit ihm auseinandersetzen will. Darin verheisst das Museum eine ganz besondere Freiheit. Eine Freiheit auch, bei der unverhofft die eine oder andere Stimulation, Inspiration oder gar Erkenntnis herausspringen kann.

 

Oase der Freiheit

Das Museum ist ein öffentlicher Raum besonderer Art, ein Erlebnisraum der stillen Art, ein Freiraum vielleicht wie ein Park, aber eben auch ein geschützter Raum für Fragen und Gedanken aller Art, die hier abgeschirmt sind vor den Pflichten und Zwängen des Alltags. Ein Museum ist eine Insel in der fordernden Öffentlichkeit des urbanen Grossraums. Und das gewisse Flair des Angestaubten von gewissen Museen trägt positiv bei zur eigenen Unproduktivität, der man in ihren Sälen frönen kann: nichts Luxuriöseres, als sich an einem solchen Ort aufzuhalten. Der Museumsbesuch ist für mich oft Anlass und Zweck der Erholung – insbesondere, wenn ich ein Museum eben nicht in erster Linie wegen der Kunst aufsuche. Die Begegnung mit Kunst als Nebeneffekt stösst dann meistens irgendetwas Unerwartetes an. Und sei dieses Unerwartete auch allein – das Erscheinen von Kunst. Seit in unseren Museen Kunst nicht mehr ehrfürchtig zelebriert wird wie noch vor einer Generation, sind diese Institutionen ausgesprochen geeignete Orte, die es für kostbare Augenblicke ermöglichen, auch einmal über sich selber hinauszugehen, ausserhalb seiner selbst gestellt zu werden.

Vor einem rätselhaften Werk steht man dann plötzlich ein wenig wie neben den eigenen Schuhen. Und aus dem «Danebensein» wird rasch ein Bei-der-Sache-Sein: Man staunt oder ist «hin und weg», wie gewisse Leute ihre Begeisterung zum Ausdruck bringen. Gerade Kunstwerke sind besonders geeignet, eine solche Erfahrung anzustossen, weil Kunst oft Ausdruck ist von irgendetwas mit der Welt Unvereinbarem. So werden Museen für mich auch zu Reflexionszonen. Kunst schafft Begegnung, und in dieser Begegnung vor allem auch Distanz. Als «Denkräume der Besonnenheit» soll sich Aby Warburg Museen im Idealfall vorgestellt haben. In einem Museum wird etwas konserviert, aufbewahrt, damit auch zum Stillstand gebracht und aus dem reissenden Fluss der Zeit herausgehoben. Der ideale Ort also, selber einmal innezuhalten.

Und dabei liegen Museen ja nicht ausserhalb der Welt, sondern direkt vor unseren Füssen, inmitten der Stadt und mitten im Alltag, der hier so wunderbar fortgeführt werden kann unter ganz anderen Bedingungen. Warum dieser anarchische Akt, vom gewöhnlichen in den ganz und gar anderen Alltag zu wechseln, so gut gelingt? Weil Kunst im Prinzip die überflüssigste Sache der Welt ist. Oder würde jemand behaupten wollen, Kunst habe einen konkreten Gebrauchswert? Zwar sind heute Museen sehr bemüht, Vermittlungsarbeit zu leisten mit Events aller Art. Sie wollen den Nutzen der Kunst für die Bevölkerung unter Beweis stellen. Und damit vor allem auch ihre eigene Existenz legitimieren. Womit wir wieder beim vielbeschworenen Bildungsauftrag wären. Nur steht dieser Imperativ, etwas Nutzloses als nützlich zu verkaufen, in einem ziemlich unversöhnlichen Verhältnis zur Kunst. Denn Kunst entzieht und verweigert sich solchen gesellschaftlichen Zwängen stets ein Stück weit. Dies ist das Dilemma des Kunstmuseums. Und gerade in diesem Spannungsfeld findet sich die bereichernde Freiheit, angesichts der Kunst manchmal um alle möglichen und unmöglichen Ecken zu denken.

Museen befreien den Kopf. Und sie befreien sogar die Kunst selber zu einem gewissen Grad. Propagandistische oder ideologische Kunst, religiöse Kunst oder Protestkunst wird im Museum von all ihrer historisch bedingten Programmatik befreit. Als Exponat ausgestellt und damit gewissermassen in Anführungszeichen gesetzt, wird jede Form von Kunst im Museum entideologisiert, wie der deutsche Kunsthistoriker Wolfgang Ullrich es auf den Punkt bringt. Das Museum geht demokratisch um mit Kunst, indem es sie zur Disposition stellt. Was wir von ihr halten und denken und über sie in Erfahrung bringen wollen, ist hier nirgends vorgeschrieben. Geschweige denn von der Kunst selber. Das ist anders in einer Kirche, in einem Präsidentenpalast oder bei einem Kunst-Happening, wo uns die Kunst ihr Programm aufzwingen will.

 

Mit solcherweise gebotener Freiheit kommt ein Kunstmuseum seinem Bildungsauftrag schon zur Genüge nach. All den Vermittlungs-Aktionismus in Form von Programmen, Performances, Workshops, Museumspädagogik, Symposien, Künstlergesprächen und Vorträgen braucht es nicht. Einen geistvollen Raum der Distanz zur Welt draussen zu schaffen, das ist meiner Meinung nach die wichtigste und höchste Aufgabe eines Museums. Darauf sollten sich die Museen wieder besinnen.

 

Und zur Erinnerung immer wieder ein paar Worte zu unserem Volke und dem typ-ischen Walliserstadel, dem gestrickten Blockgehäuse. Sei-tenlängen aufgrund der Baum-stammmasse. Keller feucht. Saal Vorratsraum trocken, gut durchlüftet, Zugang traufseitig per primitiver Treppe. Mäuse-steinplatten [Plaanä] aufge-stelzt. Kornspeicher mit Tenn-boden [Tää] dicht mit Nut + Feder um kein Korn auf diesem Dreschplatz zu verlieren. Der Stadel ist gröber gearbeitet als ein Speicher. Das Bauen richtet sich meist nach der lokalen Lebensweise, der Erbteilung und des zur Verfügung stehenden Bau-materials. Ein Speicher oder Stadel kennt fast immer mehrere Miteigentümer infolge der örtlich zahllosen Parzellen. Selbstversorgung und Noma-dentum ist die Regel. Trans-porte versucht man tunlichst zu vermeiden. Man zieht mit dem Vieh gestaffelt von Vorrat zu Vorrat, mu faarut. In Jeizinen weilt man Januar, Februar, Juni, September; insgesamt 4 Monate. In Fesel oder Meiggu gut 2 Monate und in Gampel rund 6 Monate. Der Dialekt, die Sprache, ist nicht etwa ausserirdisch sondern ger-manisch beheimatet, der Walliser drückt sich höchst-alemannisch aus wobei auch hier die Globalisierung Einzug hält.